Die Angst vor dem Tod
Meine Gedanken zu Corona
Corona stellt uns unfreiwillig vor die Herausforderung uns mit dem eigenen Tod auseinander zu setzen. Das ist für viele von uns – mich inklusive – nicht leicht. Wir haben den Tod aus unserem Alltag verdrängt und an Spitäler, Hospize und Pflegeheime delegiert. Wir wollen nichts davon wissen und wenn möglich nie damit in Berührung kommen. Der Tod ist eines der größten Tabus unserer westlichen Gesellschaft geworden.
Gleichzeitig ist die Wichtigkeit des Individuums, des eigenen Lebens zum höchsten Gut geworden. Noch nie war das Leben eines Einzelnen von höherem Stellenwert, als in unserer Zeit, in unserer westlichen Welt. Fast möchte man es als unfaire Zumutung wütend herausschreien, dass wir den Tod, dieses „letzte“ Problem unserer modernen, durch die Wissenschaft weit entwickelten Gesellschaft, noch immer nicht überwunden haben.
Dabei unterliegt alles nur einem einzigen riesigen Irrtum: denn das, was sterben kann und wird, und wovor wir solche Angst haben es zu verlieren, ist „nur“ das Ego. Ein Konstrukt unseres Verstandes, der im Neo-Cortex des Großhirns zuhause ist und mit dem wir komplett identifiziert sind. Wir glauben tatsächlich es zu sein, dieses unser unbeständiges Ego. Wir haben vergessen, wer wir wirklich sind, und was in uns unsterblich ist, weil wir uns den Verstand zum Meister gemacht haben und uns damit über die Natur glauben zu erheben und hinwegsetzen zu können. Unsere wahre Natur, das göttliche Selbst oder die „Buddha-Natur“, die in jedem von uns wohnt. Immer und unvergänglich. Statt dessen klammern wir uns an die Illusion eines scheinbar konstanten und in sich kohärenten ICHs, das wir aber nicht sind, und das es bei genauerer Betrachtung gar nicht gibt.
Es ist ein unlösbares Paradoxon, die Angst vor dem Tod mit den Mitteln des Ego-Verstandes überwinden zu wollen. Denn das, was wir zu retten versuchen, ist ein Verstandeskonstrukt. Die „Persona“. Eine Geschichte, die wir über uns selbst erzählen und die wir für unser Leben halten. Es gibt eine sehr mächtige und wirkungsvolle Frage, auf die eine ganze hinduistische Tradition ihre gesamte Praxis aufbaut: Wer bin ich? (SRI RAMANA MAHARSHI)
Wer sich diese Frage immer und immer wieder stellt, dem wird „die Suppe“ immer dünner. Je mehr wir uns der Frage „wer bin ich?“ annähern wollen, desto unklarer wird die Antwort, desto mehr Fragen tauchen auf. Der Grund dafür ist einfach: die Substanzlosigkeit des ICH.
In unserer wahren, göttlichen Essenz sind wir der Illusion eines ICHs – „Maya“ – befreit. Wir sind Licht und Liebe, Helligkeit und Dunkelheit, Sein und Nicht-sein in einer raum- und zeitlosen Einheit, die einige von uns Gott nennen.
Corona zwingt uns direkt und indirekt uns mit diesen Fragen, den Ur-Fragen der Menschheit zu beschäftigen: woher kommen wir? wer sind wir? wohin gehen wir?
Die Antworten darauf finden sich nicht in den begrenzten Möglichkeiten des Ego-Verstandes. Wir können sie aber erahnen, wenn wir uns der Stimme unseres Herzens zuwenden. Zum Beispiel in der Natur, in der Stille, in der Meditation. Wir können sie erahnen im Höhepunkt der sexuellen Vereinigung, wo für einen kurzen Moment ich und du verschmelzen. Und zuletzt können wir sie im Bardo des Sterbens erfahren. Alles Schwellen, wo sich das ICH aufzulösen beginnt.
Trauma ist die vierte Tür zu unserem wahren Selbst. Wer ein Trauma oder Entwicklungtrauma erlebt hat (wer in unserer „modernen“ Welt nicht?!) ist abgespalten, „dis-connected“ oder „dissoziiert“ von seinem wahren Selbst. So sehr, dass man es gar nicht mehr spürt. Peter Levine (Somatic Experiencing) betrachtet diese vier (Meditation, Sexualität, Tod und Trauma) als Portale zum „Erwachen“. Für mich ist „Erwachen“ gleich bedeutend mit Des-Illusionierung. Das erkennen, das wir nicht sind, woran wir uns verzweifelt klammern, also an unser Ego, sondern ewiges, mit allem verbundenes Licht. Lise Bourbeau nennt es „Gott in dir“. Buddhisten die „Buddha-Natur“. Nichts, das entwickelt oder erricht werden kann, denn ist und war immer schon da. Nur verhüllt hinter Trauma und Schmerz.
Es gibt für mich kein schöneres Bild als das im Beitrag verwendete Titelbild der Maria mit dem „unbefleckten“ (reinen) Herzen. (Es ist zu finden in einem Marterl am Weg zwischen Würmla und Murstetten in Niederösterreich, einem meiner Lieblingskraftplätze). Für mich zeigt es die Traurigkeit und das Mitgefühl Marias mit uns, da wir vergessen haben, dass die reine und bedingungslose Liebe in all unseren Herzen IST und durch uns zum Ausdruck gebracht werden möchte in der Welt, jedoch durch Schmerz und Trauma (die Dornenkrone rund herum) von uns nicht mehr wahrgenommen wird, aus notwendig gewordenem „Selbst“schutz. Letztlich die Ursache für alles Leiden in der Welt.
Trauma erzeugt die Illusion von Trennung. Der damit verbundene Schmerz, vor dem wir uns vermeintlich schützen müssen, zeigt sich in Verlustangst, Einsamkeit, Isolation, Ängsten, Depressionen und Vergessen (inkl. Demenz). DAS macht unsere wirkliche Angst vor dem Tod aus.
Dabei ist alles mit allem verbunden, nichts kann „verloren“ gehen.
Heilung ist also die Wieder- und Rückverbinung (re-connection, re-ligio) mit unserem wahren, ewigen, göttlichen Selbst, durch echten Kontakt zu unseren Herzen und den Herzen unserer Mitmenschen.
Ich glaube, Corona, die „Krone“, ist für mich ein Hinweis auf das Kronen-Charka, das uns mit dem ewig göttlichen und allwissenden Licht verbindet, der „Quelle“, unserem einzigen und wahren Zuhause.
Joe Dispenza verwendet als Umschlagbild seines Buches „Supernatural“ den Hermesstab (die doppelt geschwungene Heilschlange, gleichzusetzen mit der frei fließenden Heilernergie des Kundalini) mit aufgesetzter Krone (geöffnetem Kronen-Chakra).
Wenn wir in der Zeit des Rückzugs und der Stille auf uns selbst zurück geworfen werden, kann das für viele ein in Kontakt kommen mit diesen abgespaltenen Teilen sein und durchaus zu großer innerer Not führen. Pema Chödrön hat genau für solche Schwierigkeiten ein wunderbares Buch geschrieben: „Geh an die Orte, die du fürchtest„.
Wenn möglich, gehe an die Orte, die du fürchtest. Das heißt zB. in die Stille, in die Meditation zu gehen und was immer auftaucht, auszuhalten. „Containment“ ist ein Begriff aus der Traumatherapie. Gemeint damit ist das „Halten“ können von unangenehmen Emotionen und Gefühlen, die auftauchen. Also Akzeptanz statt Widerstand. Annehmen, was ist, egal, was sich da jeweils gerade zeigt. Eine der schönsten Erfahrungen die man mit Mediation machen kann, ist die Erfahrung, dass alles was auftaucht auch wieder vergeht. Ein Juckreiz zum Beispiel vergeht auch ohne zu kratzen. Genau darum geht’s.
Ich wünsche uns allen ein gutes Wieder-in-Kontakt-kommen und darin wirkliche Sicherheit zu finden.
Eine Ahnung von dem, was ich meine, vermittelt der Film „Samadhi – Teil 1: Maya, die Illusion des Selbst„.
Hier der Link zum Film in deutscher Sprache auf YouTube: https://youtu.be/CHxxl1Z80So